Haut, Pelle, Kruste, Schale, Rinde, Schwarte. Vergiss unverpackt. Alles Essbare ist irgendwie eingepackt.
Wir Menschen sind fast immer am schälen, pellen, schaben, knacken, häuten, pulen, wenn wir an etwas Essbares herankommen oder uns etwas zubereiten wollen.
Es soll allerdings auch Wesen gegeben haben, vornehmlich märchenhafte Wölfe, die verspeisten alles, was entweder vom Weg abgekommen oder nicht schnell genug in der Standuhr verschwunden ist, mit Haut und Haaren. Soll ihnen aber, wie ich des öfteren gehört habe, nicht gut bekommen sein. Das Blöde am Mit-Haut-und-Haaren-Verschlingen ist nämlich, wie man sich erzählt, dass das Verschlungene sich immer mal wieder aus dem Staub, bzw. Wanst macht und durch schlecht verdauliche Ballaststoffe ersetzt wird, vornehmlich durch sogenannte Wackersteine. Die machen, so sagt man, dermaßen durstig, dass es immer wieder zu tragischen Unfällen mit tödlichem Ausgang an diversen Brunnen gekommen ist. Worüber sich dann wiederum das vorher Mit–Haut–und–Haaren–Verschlungene tierisch freut.
Vermutlich aus diesem Grund hat sich das Häuten von Essbarem, insbesondere von Tieren recht früh durchgesetzt. Im späten Mittelalter etwa, so um 1960, konnte ich noch miterleben, wie mein Großvater, den Kaninchen das Fell, im wahrsten Sinne des Wortes über die Ohren gezogen hat. Später dann, in der frühen Neuzeit, ab 1962 wurde ich mehrfach Zeuge, wie auch abgetrennten Rinderzungen die Haut abgezogen wurde, was zum einen notwendig ist, weil diese papillenbesetzte Haut ziemlich ledrig ist, zum anderen wiederum ziemlich einfach geht, wenn die Zunge vorher gekocht und dann in eiskaltem Wasser abgeschreckt wird. Die Papillen kommen aber auch im darunter liegenden Muskelfleisch noch sehr gut zur Geltung. Aber das nur am Rande.
Damals in dieser düsteren Zeit wurde Tierhaut aber nicht nur verschmäht, sondern auch z.B. als Schweineschwarte mitgekocht, um etwa dem Rotkohl die ordentliche Würze zu geben. Wenn man in der richtigen Stimmung war, konnte man darauf einen ganzen Nachmittag herumkauen. Alles Geschmackssache.
Als Relikt aus dieser Zeit hat sich das Verspeisen von Tierhaut bis heute erhalten und ist in manchen Gegenden weit verbreitet; etwa in Form kross gebratener Haut bruzzeliger Backhendl.
Wie ist das bei Fischen? Gerade erst las ich auf der Speisekarte vom Goldenen Anker in Burgstaaken: Dorschfilet frisch vom Kutter auf der Haut gebraten, dazu Bratkartoffeln. Scheint also etwas besonderes Gutes zu sein, dieses Auf-der-Haut-braten. Soll man die dann mitessen? Eher nicht. Alles über Heringsgröße wird vom heutigen Omnivoren wohl ohne Haut und Schuppen verspeist. Genauso wie Krabben, Scampis, Gambas …
Aber nicht nur ganze Tiere, sondern auch tierische Produkte haben Häute. Eier z.B. haben ja nicht nur eine Eihaut um das Eiweiß herum, sondern auch nochmal eine um das Eigelb. Deswegen lassen sich Eier so gut trennen. Und außen drumherum dann auch noch die Eierschale. Köpfen, pellen oder klopfen? Fragen über Fragen. Genau wie beim Käse. Als Milch-Magenlab-Kombination, ein echtes Tierprodukt. Hier heißt die Haut meist Rinde und die Frage: mitessen oder abschneiden. Man weiß es nicht. Genausowenig wie bei den dazu gereichten Feigen. Es scheiden sich die Geister.
Unbestritten aber ist einer der wichtigsten kulinarischen Streits, der fast die gesamte vorvegane Ära überschattet hat, und über den zahlreiche Dissertationen und gelehrte Abhandlungen geschrieben worden sind, die Frage: Haut auf Milch und Pudding. Lecker oder uuuuuuuaaaaaoahhhhoooh? An dieser Stelle alle Argumente, Standpunkte, Meinungen wiederzugeben würde den Rahmen dieses Beitrags weit sprengen. Nur so viel, ich bin Fraktion: lecker, geschmacksintensiv, bekömmlich, gehaltvoll.
Wenden wir uns den veganen Lebensmitteln zu. Obst, Getreide und Gemüse. Alles mit Schale? Was man da alles schälen, schaben und entfernen muss, um an manche Leckerei zu kommen, geht auf keine Kuhhaut.
Geschälter Reis oder ungeschälter? Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Aber die Schale nicht vom Korn. Also Vollkorn oder Weißmehl? Und erst die Möhren. Schälen oder waschen? Oder waschen und schälen? Oder erst schälen und dann waschen? Weltanschauungen.
Wie ist es beim Obst? Äpfel nicht schälen! Unter der Schale ist das Beste, sagte mein Opa immer, der mit den Kaninchen. Fragt sich nur wie tief. Bei Bananen sind wir Menschen uns mit den meisten anderen Primatenkollegen einig. Schälen! Der elegante Affe knackt die Banane übrigens nicht am Stiel auf, weil das stillos wäre, sondern drückt sanft das untere Ende der Frucht zusammen, um dann die Schale ganz leicht abziehen zu können. Ich möchte hier behaupten, dass fast alle Südfrüchte geschält werden. Außer sie sind so klein wie diese – wie heißen sie – Kumquats. Aber hat schon jemals jemand eine reife Mango ohne Sauerei geschält? Vielleicht braucht die Evolution dazu noch etwas und wartet bis wir AI soweit haben.
Mandeln, Tomaten, Pfirsiche werden – ja so ist es nun mal – wie Rinderzungen gehäutet. Rein ins kochende Wasser, eiskalt mit eiskaltem Wasser abschrecken – die Haut, Pelle, oder Schale löst sich wie von selbst.
Will man allerdings an eine leckere Esskastanie ran, muss man sich erst durch eine seeigelstachelige, echt höllisch piksende Cupula, – ich nenne das seit dem zweiten Germanistiksemester: Schlaube – kämpfen, wenn man sie nicht frisch und fertig geröstet auf dem Weihnachtsmarkt kauft. Vor dem Rösten schneidet man am besten den ledrigen, braunen, glatten Perikarp – so heißt das, was wir Schale nennen – kreuzweise ein. Dann läßt sich die Schale nach dem Rösten leichter lösen und man stößt auf eine weitere haarige Haut – Endokarp, wenn man es genau wissen will. Die läßt sich manchmal leicht, manchmal sehr schwer lösen und es stellt sich die immer gleiche Frage – mitessen, abpulen, aufgeben? Nein, nicht aufgeben, dazu duftet es zu gut.
Und dann gibt es ja noch die legendäre Zwiebel. Sie besteht eigentlich nur aus Haut. Um genau zu sein aus sieben, aber das ist nicht genau, weil es gar nicht stimmt. Und die sieben Häute sind darüber hinaus noch gut verpackt in einer äußeren Schale. Die muss ab. Es ist zum Heulen.
Dafür bzw. dagegen kommt hier mein ultimativer Zwiebelschneidetrick: Schwimmbrille auf? Nicht schlecht. Schluck Wasser im Mund behalten? Ja, hat was. Kontaktlinsen? Hat ein, zwei Zwiebeln lang gewirkt. Zwiebeln in einer mit Wasser gefüllten Schüssel schneiden? Ja, die Reizgase bleiben weitgehend im Wasser. Aber am allerbesten ist immer noch: ein extrem scharfes Messer!
Ein scharfes Messer ist auch nicht verkehrt, um etwa eine schöne Schale mit Pomelo auf dem Frühstückstisch stehen zu haben. Man muss nämlich die zähe und bittere Haut von den einzelnen Fruchtsegmenten entfernen, nachdem man die fingerdicke Schale abgeschält, die Folie entfernt und das Netz abgezogen hat.
Wieso noch eine Folie und ein Netz, wo diese dicke Pomelo, wie fast alle anderen Früchte doch von Natur aus wirklich gut in Haut und Schale »verpackt« sind? Sollte man da nicht doch noch einmal über unverpackt nachdenken?
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