„Die Welt“ berichtet am 19.08. in der Rubrik Wissen über den Rausch nach zehn Minuten direktem Augenkontakt. Dort wird ein Experiment beschrieben, das italienische Forscher durchgeführt haben.
Ähnlich wie in der Installation von Marina Abramovic „The Artist is present“ saßen sich Probanden zehn Minuten gegenüber und schauten sich in die Augen. Fast alle gaben an, dass sie sich danach in einer Art Trance befunden hätten. Viele sahen Grimassen, das Zeitgefühl ging verloren etc. Die Forscher sprechen von einer Dissoziation also dem Verlust des Bezugs zur Realität. Ok, das scheint jetzt nicht so wahnsinnig aufregend zu sein, denn vermutlich langweilt sich das Gehirn einfach, wenn es immer nur die gleichen Infos bekommt und legt dann selbst los mit einem eigenen Unterhaltungsprogramm.
Aber was ist damit?
Ich sitze bei einem -nennen wir es mal „esoterischem“ Kurs- einer mir völlig unbekannten Frau gegenüber. Ich erfahre, dass sie Postzustellerin ist und schätze sie auf Mitte/Ende vierzig. Sie ist relativ schlank und hat mittellange dunkle Haare.
Wir sollen uns ähnlich wie in dem beschriebenen Experiment, von dem ich damals noch nichts wusste, gegenübersetzen und uns reglos in die Augen schauen, mit der Variante, dass wir vorher entscheiden sollen, wer wem aktiv in die Augen schaut und wer es sozusagen eher passiv zulässt. Danach soll gewechselt werden.
Also ich schaue meiner Postzustellerin in die Augen. Nichts. Fünf Minuten. Ich habe Schwierigkeiten zu fokussieren. Versuche mal in ihr linkes Auge, dann ins rechte Auge zu schauen. Nichts. Verliere eher immer wieder den Fokus. Zehn Minuten auf die gleiche Stelle zu starren, ist nicht so einfach. (Wenn es nicht gerade ein Bildschirm ist.) Meine Augen tränen. Ich pralle an ihren Augen ab. Dann habe ich das Gefühl, über ihre Augen schiebt sich eine Art undurchdringlicher kupferner Schirm, der mich noch mehr abprallen läßt. Zehn Minuten. Ok ich kann das nicht, ich gebe auf und … Bäng! In dem Moment – ohne Scheiß- werde ich –schloooaahhhng- harrypottermäßig in ihre Augen reingesaugt. Wuuuuusch. Ich sitze immer noch da regungslos und gleichzeitig geht auf/in ihrem Oberkörper die volle Luzi los. Ich sehe sie, nein nicht sie, sondern einen alten Kung Fu Kämpfer. Der winkt mich ran. Und legt dann voll los. Fliegt durch die Luft, shaolinmäßig. Boah jetzt nicht aufhören. Ist das abgefahren. Ich sitze regungslos in meinem Stuhl und schaue immer noch in ihre Augen. Sehe aber gleichzeitig den Alten in seinen schwarzen Kung Fu Klamotten durch die Luft fliegen und ihr Gesicht schein länger, schmaler zu werden, ihre Augen schlitzförmig. Ist da nicht sogar eine Art Ho Chi Min Bart? (für diejenigen, die sich noch erinnern.)
Irgendwann -bämm -ich weiß nicht wie lange es gedauert hat- ist es zu Ende.
Abgefahren oder?
Aber jetzt kommt’s. Wie gesagt, ich habe die Frau zum ersten Mal in meinem Leben gesehen.
Sie praktiziert seit ihrem dreizehnten Lebensjahr Kung Fu, trägt eine schwarze Schärpe und trainiert immer noch.
Hallo?
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