Heart of Darkness
Ist eine Novelle von Joseph Conrad über eine Bootsfahrt auf dem Kongo in das Herz von Afrika. Conrad zieht eine Parallele zwischen London und Afrika als Orte der Dunkelheit. Conrads Gedanke: Es gibt nur einen sehr kleinen Unterschied zwischen sogenannten zivilisierten Menschen und Wilden.
Apokalypse Now
Ist ein Antikriegsfilm von 1979, der während des Vietnamkrieges spielt und lose auf der Novelle von Conrad basiert. Regie führte Francis Ford Coppola. Der Film erhielt die Goldene Palme in Cannes, zwei Oscars, drei Golden Globe Awards sowie zahlreiche Nominierungen. Die Dreharbeiten im philippinischen Dschungel und der DomRep waren – ein Desaster. Stürme zerstörten das Set, die Drehbedingungen wurden durch Hitze und Locations erheblich erschwert, der Hauptdarsteller Martin Sheen erlitt einen Herzinfakt. Dazu dauerten die Dreharbeiten über 16 Monate und überschritten das geplante zeitliche und finanzielle Budget erheblich.
Hearts of Darkness – A Filmaker’s Apokalypse
Ist ein Dokumentarfilm von 1991, der größtenteils aus dem während der Filmarbeiten gedrehten 16mm Material von Eleanor Coppola besteht.
Eleanor, die Ehefrau von Coppola, war mit den drei Kindern des Paares mit dem Filmteam in den Dschungel geflogen. Sie hat nicht nur die Dreharbeiten, sondern auch Rituale der Eingeborenen oder Gespräche mit Coppola aufgenommen, zum Teil ohne sein Wissen.
Künstlerische Apokalypsen
Ich weiß eigentlich gar nicht genau, warum ich mir den Dokumentarfilm auf einmal ansehen wollte. Vielleicht, weil ich feststeckte. Mitten in einem Buch, das mir über den Kopf gewachsen war, das ich schon so lange mit mir rumschleppte und das ich sowohl als Megadesaster als auch Meisterwerk bezeichnen konnte, je nachdem, wie meine Tagesverfassung gerade war. Irgendetwas stimmte nicht mit meinem Text, die Message hatte ich schon lange nicht mehr klar im Blick – wozu auch – das ganze lief aus dem Ruder. Je größer das Vorhaben, und je größer die Message, die man in die Welt bringen will, desto sicher erlebt man es: Das künstlerische Endzeiterlebnis.
Jeder Künstler kennt das, den Moment, indem man sein eigenes Projekt gegen die Wand fährt, blind durch die Gegend tappt, in der Hoffnung, dass am Ende alles aufgeht und doch noch gut ausgeht. Es war also ein großer Teil an Verzweiflung mit im Spiel, als ich mir den Film vorholte oder auch Hoffnung: Schauen wir mal, wie Coppola das alles hinbekommen hat, denn das hat er ja offensichtlich und Preise noch dazu bekommen.
Die erste Erkenntnis: Es war bis zum Schluss ein Disaster. Der Punkt, an dem sich alles in einen Erfolg verwandelte, es gibt ihn nicht. Bis zum Ende der Dreharbeiten war unklar, ob Coppola diesen Film jemals beenden würde, es überhaupt ein Film werden würde. So ungefähr alles ist schiefgegangen, keine Szene lief nach Plan, kein Schauspieler gehorchte dem Drehbuch oder den Reigeanweisungen. Und auch Coppola selber war sich nicht sicher, was er eigentlich wollte und schrieb Szenen ständig um. In dieser brutalen Offenheit habe ich künstlerisches Scheitern noch nie gesehen.
In einem Interview zu Apokalypse Now sagt Coppola:
„We were in the jungle, there were too many of us, we had access to too much money, too much equipment, and little by little we went insane.“
Manchmal ist die größte Chance – die lange Zeit, das unbegrenzte Volumen, die besten Voraussetzungen – der sicherste Weg zu scheitern. So kam ich mir auch vor, gesegnet mit dem großen Vertrauen des Verlages, mit viel Zeit, mit besten Schreibmöglichkeiten und trotzdem verzweifelt. Meine Protagonisten machten, was sie wollten, niemand hielt sich an meine Outline, ich selber schon gar nicht. Ich schrieb und schrieb um, ich verlor den Überblick. Doch was ich auch in diesem Dokumentarfilm gesehen habe: Am besten macht man einfach weiter. Hofft, dass der Schaden an Psyche und Körper im Rahmen bleibt, hofft, dass am Ende wenigstens etwas entsteht, zu dem man stehen kann. Irgendwie. Das Meisterwerk hat man zu diesem Zeitpunkt sowieso schon aus den Augen verloren. Gut so.
Also weiterschreiben, sortieren, sich an allem abarbeiten. Streichen, ständig ändern, immer wieder neu herausfinden, was man eigentlich sagen will, ob man es so sagen sollte, was das alles eigentlich bedeutet? Am Ende zählt vor allem der Versuch, der Prozess, die Metamorphose, die man durchlebt. Und man muss sie offenbar durchleben. Zivilisierte Menschen stehen daneben und behalten die hundertprozentige Kontrolle. Wilde legen einfach los, lassen es raus, drehen durch. Es ist nicht nur so, dass zwischen beiden Verhaltensweisen kein großer Unterschied besteht, es MUSS sogar beides zusammenkommen, wenn man künstlerisch arbeitet.
Danke, Eleanor und Francis, dass ihr mich wieder daran wieder erinnert habt. Ich schreibe also weiter. Und ihr solltet euch Hearts of Darkness ansehen.
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