Italien – Land, Stadt, Haus
Wie kommt das eigentlich, dass wir alle Jahre Uraub im gleichen Land, in der gleichen Stadt im gleichen Haus machen? Italien ist wundervoll aber eigentlich überall schön, das kleine Dorf in den Bergen von Umbrien unspektakulär, muss irgendwie am diesem Haus liegen, dachten wir uns. Es lag also nah, für das Interview zum Fokusthema Italien unseren Vermieter Eduard einmal auszufragen, wie er eigentlich zu seinem Haus gekommen ist. Eduard lebt in Berlin und hat mehrere Ferienhäuser in Italien, die er ganzjährig vermietet. „Unser“ Ferienhaus war sein erstes Projekt in Itlaien.
Das Anwesen=Weingut hat zwei Häuser, eines liegt oberhalb, das andere etwas tiefer. Hier sitzen wir auf der Terrasse des unteren Hauses mit einem wundervollen Blick ins Tal.
Eduard, eigentlich wissen wir nicht so genau, wie du auf die Idee gekommen bist, dieses Grundstück hier zu kaufen. Was war es denn eigentlich vorher?
Ursprünglich war es ein Landgut, die hatten damals recht wenig Wein, obwohl sie hier eine Weinpresse hatten. Überwiegend war es Landwirtschaft, Kühe, Schweine, Kleinviech. Es gab ja hier Großgrundbesitz. Der (Besitzer) hatte einen Palazzo in Foligno. Das waren damals diese Strukturen. Die Leute wohnten hier, mussten arbeiten und dafür bekamen sie dann die Wohnmöglichkeit. Das war damals in Italien überall so, in der Toskana und auch hier in Umbrien.
Hast du ne Ahnung, wie alt das Haus ist?
Na, schon ein paar hundert Jahre, also die Ursprünge. Es wurde dann, wie es so üblich war, immer mehr erweitert. Am Anfang war es der Turm und ein Nebengebäude. Der Turm war auch als Wehrturm ausgelegt. Richtig mit Schießscharten. Hier zogen immer wieder Räuberbanden durch das Tal und klauten den Leuten alles, was sie hatten, nahmen die Mädchen mit. Es war damals nicht ganz ungefährlich. Die Leute mussten sich also verstecken, bzw. verbarrikadieren, weil das hier ein strategischer Punkt ist. Von der Adria Richtung Süden, Richtung Rom, hatten das Tal eine besondere Bedeutung. Hier sind die Söldnerheere und alles vorbeizogen. Und im zweiten Weltkrieg waren die Deutschen hier. Die hatten im Garten eine Flackstellung und haben dann von hier auf die amerikanischen Flugzeuge geschossen.
Bist du denn herumgefahren auf der Suche nach einem Haus und hast es dann hier gefunden?
Nein, das war totaler Zufall. Ich war überhaupt nicht auf der Suche, sondern damals das erste Mal überhaupt in Italien. Ich habe mit einer Gruppe eine Radtour in der Toskana gemacht. Und in dieser Gruppe war eine Frau, die suchte ein geeignetes Objekt für ein Frauenprojekt hier in Italien. Und hatte mit einem Makler eine Besichtigungsfahrt abgesprochen. Ich hatte noch eine Woche Zeit und hab dann gesagt: Okay, ich komm’ noch eine Woche mit, dann sehe ich was von der Gegend, von Umbrien. Toskana hatte ich ja gesehen. Aber ich hatte null Ahnung von Italien, weder Sprache noch sonstwas.
Und so kamen wir hierher. Für das Projekt wäre es von der Größe her sehr schön gewesen, ihr war es aber zu abgelegen, weil die meisten Frauen mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden. Sie hat dann einen Palazzo gekauft und ausgebaut.
Und ich hatte als Kind schon immer von einem Turm geträumt.
Ach ja?
Ja eigentlich war es erst nur der Turm, der mich angemacht hat. Und deswegen habe ich alles andere erstmal überhaupt nicht gesehen. Die Ruine und was für ein Riesenvolumen das war. Der Turm, der stand wie ne Eins. Kein Riss, nix. Dach noch drauf und hundert Tauben drin, die hatten ihn zu einem Taubenturm umfunktioniert. Es flatterte nur so da drin. Wahnsinn. Für mich war der Turm wichtig.
Natürlich spielte auch das Drumherum, die Landschaft eine große Rolle. Die Leute. Ich hatte die schon in der Toscana als so freundlich erlebt. Und hier auch. Man war überall willkommen und das hat mich begeistert. Wenn du hier hochgekommen bist, kamen die Leute raus, fragten was du brauchst, und dann bekamst du gleich ein Glas Wasser oder einen Kaffee angeboten.
Meine Freundin dachte, ich wäre jetzt total ausgeflippt, zumal ich gerade in Nordhessen eine alte Schule gekauft hatte. (lacht) Na ja, die musste ich ja auch noch restaurieren.
Und wem gehörte das damals?
Einem Berliner Boxer, der hatte es gekauft.
Als Ferienhaus?
Ne, der wollte mit seiner Freundin hier so Eigenanbau betreiben und davon leben. Der wollte aus dem Steinboden etwas herausholen. Paar Hühner, paar Karnickel und sowas. Na ja, jedenfalls haben sie es dann wieder verkauft.
Na, das war dann eigentlich die Geburt des Objekts. Hier im unteren Teil waren zwei Räume bewohnbar mit einem Kamin und so. Na und dann, peau a peau, haben wir das mit viel Arbeit ausgebaut. Und das war am Anfang auch mit den Kids reines Abenteuer. Wir haben mal eine Seilbahn über die Nera gebaut, um Steine darüber zu transportieren. Ich bin natürlich sofort in die Dornen geknallt. Wir haben das Seil mit dem Auto gespannt und dann sind wir angefahren und … na ja solche verrückten Sachen eben. Die haben alle gesagt, der Eduardo ist ein bisschen verrückt.
Wasser war da und ein Kamin und wir haben dann ein Bad gebaut, so dass man in der Kernzelle hier unten wohnen konnte. Der Rest hat dann Jahre gedauert. Den oberen Teil habe ich machen lassen, als ich wieder etwas Geld hatte. Das hat sich über ich weiß nicht wie viele Jahre erstreckt. Vor allem für die Kinder (seine zwei Söhne) war es ja toll. Zwei, drei Familien sind oft mitgekommen, als es dann alles fertig war. Wir waren jeden Sommer drei, vier Wochen hier.
Und Cultura? (Das Ferienhausunternehmen, das Eduard aufgebaut hat). Ist die Idee durch dieses Haus geboren?
Ja, hat damit zu tun gehabt. Als es dann nämlich fertig war, da kam mir die Idee, einfach eine Agentur zu gründen. Wir hatten viele Freunde und alle kamen, aber keiner wollte was bezahlen. Dann haben wir gesagt: Das macht eine Agentur, ihr müsst euch an die Agentur wenden.
Wir erinnern uns an den sehr schönen Katalog mit den Zeichnungen. Darin waren ja viele Objekte. Hast du dann rumgefragt in der Gegend, wer noch mitmacht?
Ja, ich habe das mit einem Makler zusammen gemacht, der mir dieses Haus verkauft hat. Der hatte eine deutsche Frau und eine Eisdiele in (Berlin-)Kreuzberg und der ist dann wieder zurück nach Italien gegangen und hat hier gemakelt. Er war also für die Aufnahme der Objekte verantwortlich und ich für die Vermarktung und Vermietung in Deutschland. Wir haben das gemeinsam gemacht und auch viele Verkäufe vermittelt. Heute ist das schwieriger. Es gibt viel weniger, was noch zum Verkauf steht. Damals waren die Objekte erschwinglicher und die Auflagen waren auch nicht so streng wie heute. Mit dem Alleinwerkeln ist es schwieriger geworden. Man braucht alle Bescheinigungen, bevor man die habilitá bekommt, also die Bewohnbarkeitsbescheinigung.
Aber es ist auch nicht mehr so der Run darauf. Die jungen Leute wollen heute lieber um die Welt reisen und sich nicht mit so einem Objekt festlegen. Da hat schon eine gewaltige Veränderung stattgefunden
War das damals auch schon so erdbebengefährdet? Also der Turm hat ja mal Schäden abbekommen bei dem schweren Erdbeben. War das 97/98?
Ja. 1997, da war ich in Visso. Da hatten wir erhebliche Schäden in Visso. Manche Häuser sind total eingestürzt, die übrigens „erdbebensicher“ restauriert waren. Das kam noch dazu. Hier hatte ich nicht so viele Schäden. Es gab im unteren Teil einige Risse im Innenbereich, was ich dann mit einer Restaurierung verbunden habe. Die Raumhöhen waren sehr niedrig. Durch die Türen bist du kaum durchgekommen, da musste man sich immer bücken. Hier sind also überall auch neue Balken drin.
Aber es war doch ein kräftiges Beben damals, das war schon gewaltig. Ich hatte hier Gäste drin und denen fiel von oben die halbe Decke auf den Kopf. Na ja, zumindest ein paar Steine, da, in dem Schlafraum. Aber die waren sowas von cool, die sind dann einfach rüber in den anderen Schlafraum. Da ist nichts oder kaum was passiert.
Und dann oben, da war ein Musiker, der hatte sich hier für eine längere Zeit einquartiert. Wollte so ein bisschen Abstand kriegen und hier arbeiten. Und der hat Panik gekriegt. Er ist nach dem ersten Beben geblieben und hat den ganzen Tag im Garten gearbeitet, weil es natürlich immer gescheppert hat. Die Fenster klirrten, das merkt man dann schon. Das sind die ganzen Nachbeben, in 24 Stunden über hunder Beben. Mal ein bisschen stärker, mal weniger, aber es bebte eigentlich permanent in den Tagen danach. Und dann kam noch einmal ein sehr kräftiges Beben und er sagte, der Turm hätte einen Meter ausgeschlagen. Er saß im Garten. Bei diesem Ausschlag sind oben die Steine über den Fenstern wie aus Katapulten weggeflogen. Da ist er dann gleich abgehauen, der hatte genug vom Beben und Klirren.
Die Leute von unten kamen dann zwei Jahre später wieder zur gleichen Zeit im Oktober. Das waren Herbstfereien und wir hatten überall Vollbelegung. Die erzählten mir: „Ach, wir haben schon ein Erdbeben in San Francisco erlebt und einen Flugzeugaubsturz überlebt.“ Also, die waren sehr cool.
Aber dieses Haus hat ja hier schon was-weiß-ich-wie-viele Beben überstanden und der Turm hatauch entsprechend über einen Meter dicke Wände. Deswegen gehe ich davon aus, dass das Haus mich überlebt. Das Beben 1997 hatte eine Stärke von 6,4/6,5 mit dem Zentrum hier unmittelbar in der Nähe. Die letzten Beben (von 2016, darüber gibt es bei uns einen Blogeintrag) waren ja ein bisschen weiter entfernt, (ca. 20 km Luftlinie) da war es nicht ganz so schlimm. Da lag es dann bei 5 oder knapp bei 5, als es da in Norcia jetzt gebebt hat. Aber ich hoffe, dass es eben … (macht eine nachdenkliche Pause) … zumindest dieses schweren Beben hat das Haus ja überstanden. Ich war ja dann auch hier bei den Nachbeben, bei den doch starken Nachbeben, aber ich hatte eigentlich nie die Befürchtung, dass irgendwas passiert. Es hatte die ersten zwei schweren Beben überstanden.
Ging uns auch so. Ich habe mich gewundert. Ich dachte, ich würde panicken, aber das war nicht so. Das Beben von Amatrice war ja an Ambers Geburtstag und am nächsten Tag sind wir hergekommen. Da hat es noch einige Nachbeben gegeben. Aber die Leute hier haben schon Angst, oder?
Die Angst ist sehr, sehr stark. Vor allem auch die älteren Leute haben Angst, also immer wenn es gerüttelt hat, die waren schon ganz schön angekratzt, nervlich. Die haben dann immer im Wohnwagen geschlafen. Rosa hatte sich einen Wohnwagen besorgt. Sie sind tagsüber zwar im Haus gewesen, aber nachts sind sie dann in den Wohnwagen gegangen.
Ach, also deswegen stand der Wohnwagen da immer? Ich hab mich immer gefragt, ob die alten Leute wohl mit dem Wohnwagen verreisen würden.
Ne, ne überall standen hier ja Wohnwagen, auch oben. Die haben sich alle Wohnwagen gekauft, um in den Wohnwagen zu übernachten. Nachts war es ihnen eben zu riskant in den Häusern.
Zum Abschluss noch eine Frage zu den Trüffeln, die mich faszinieren. Ich hab in all den Jahren hier keinen einzigen Trüffel gefunden. Einer der Bauern kam hier mal vom Berg und hatte einen richtig dicken Trüffel in der Hand. Hier ist ja auch viel abgesperrt (Raccolta tartufo riservata) Werden hier viele Trüffel gefunden?
Ja, ja. Settimo hatte da oben ein abgesperrtes Gebiet und mit dem war ich ein paarmal Trüffel suchen und der hat auch richtig tolle große Trüffel gefunden auf seinem Gebiet. Und die Gebiete sind ja meistens von diesen Trüffelfirmen, die das dann verarbeiten und vermarkten. Die Leute, die da suchen, machen das in deren Auftrag.
Ich war auch oft unterwegs wandern und auch auf Trüffelsuche und man kann hier schon ganz gut erkennen wo Trüffel sind. Also zunächst müssen dort Eichen sein. Die pflanzen Eichen, die geimpft sind mit Trüffelsporen. Dann darf da keine Vegetation sein, nur Minimalvegetation, keine Wiese. Also Steine um die Eiche herum, aber keine Vegetation. Und so kann man schon die Plätze eingrenzen. Und wenn man dann ausgebildete Trüffelhunde hat …
Die Wintertrüffel, die liegen tiefer, da wird es schwieriger. Die Sommertrüffel liegen teilweise fast direkt unter der Oberfläche. Deswegen haben die auch nicht so ein starkes Aroma wie die Wintertrüffel. Die gibt’s weniger, sind aber auch qualitativ besser.
Und wann findet man die?
Wintertrüffel im November, Dezember, Januar, so die drei Monate. Sommertrüffel, das geht jetzt bald los so: Ende Juni, Juli, August, September auch noch.
Wie tief liegen dann die Wintertrüffel?
Na, das kann schon auch mal so zwanzig Zentimeter sein.
Und die Sommertrüffel eben fast an der Oberfläche und in den letzten Jahren gab es auch immer recht viel und die waren dann auch günstig. Da haste dann dreizehn Euro für hundert Gramm gezahlt. Da kann man sich richtig satt essen. Das ist wirklich toll.
Ich mag sie ja am liebsten nur mit Ei oder Spaghetti, wenn man nicht zu viel Knoblauch ranmacht. Und dann roh drüberreiben. Also am liebsten roh und gerieben mit einer Käsereibe, wie Parmesan, gar nicht mit dem Hobel. Der Trüffel ist ja fest, erst wenn er zu lange gelagert ist, wird er weich, dann kann man ihn nicht mehr reiben. Also er muss richtig fest sein. Also der im Glas ist kein Vergleich zum frischen.
Danke, für das Gespräch, Eduard. Magst du heute gefüllten Pfannkuchen mit uns essen?
Ja gerne, mach’ ich heute mal eine Pause.
Und wir haben dann auch zusammen Pfannkuchen gegessen, wie ihr im Beitrag Italien: Food sehen könnt ;)
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