Im Museum
Draußen nieselte Frühlingsregen auf die Themse, drinnen herrschte sakrale Leise, nur unterbrochen von ehrfürchtigem Gewisper und bedächtigen Schritten die auf dem Steinfußboden knirschten. Hier und da ein Husten oder ein unterdrücktes Kichern, das Geraschel von Prospekten, die langsam durch die Luft gewedelt werden. Genau hier, wo das Licht sich in der Spiegelung bricht…da lenkt er wohl den Blick des Betrachters direkt nach innen…man schleicht aneinander vorbei, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, wie Minister bei einem Staatsbesuch.
Es riecht ganz leicht nach Ölfarbe, im Hintergrund surrt der Sensor der die Raumtemperatur misst. Es hat etwas beruhigendes so durch ein Museum zu streifen. Die platschenden Schritte, regennassen Hosensäume und gekeuchten Flüche der bewegten Straße hinter sich zu lassen, und in ein Zeit Vakuum zu tauchen, in dem alles relativ ist. Zeit, Schönheit, Leiden, Pinselführung. Sich vorlehnen und die strähnigen Furchen zu betrachten, die vor hundert Jahren ein Pinsel durch die Farbe gezogen hat, Blicke zu erwidern, die wenn man genau hinsieht nur ein paar schwarze, weiße, bunte Tupfer auf einer groben Leinwand sind.
Im Tate Britain sind die Räume nach Zeiten sortiert in denen die ausgestellten Stücke entstanden sind, ein Umstand der mich sofort zufrieden macht. Und bedeutet das er gleich weiter schlendern konnte, zu abstrakten Skulpturen und braunen Bildern und ich zufrieden schnurrend im neunzehnten Jahrhundert versank. Ein Raum interessierte mich besonders, und mit seligem Grinsen schlich ich über die Schwelle in die in goldenen Lettern 1840 eingraviert war.
1840
Die Bilder sind über die Wände verteilt, neben und übereinander stapelt sich das dunkle grün des 19. Jahrhunderts. Mein Blick fällt auf eine Serie von Bildern, die zusammenzugehören scheinen. Es war ein Zyklus von Bildern, drei Tafeln, wie ein Altarbild gesellschaftlicher Glaubenssätze. Die Frau niedergeschmissen, er im Lehnstuhl, Stirn gefurcht, die Kinder verängstigt. Dann: Die Kinder, allein, starren auf den Mond, die runde Scheibe, die hinter den milchigen Scheiben scheint. Das dritte wieder Sie, zusammengekauert mit dem Jüngsten unter einer Brücke, der selbe Mond hängt vorwurfsvoll am dunstigen Himmel. Und die Moral von der Geschicht, betrüge deinen Mann bloß nicht.
Etwas weiter hinter, an der Wand die dem Eingang gegenüberliegt, ein hohe schmales Tableau, was einen König zeigt. In schwarzer Rüstung, auf den unteren Bildrand hockend, den dunklen Blick zu einem Mädchen erhoben, dessen verschattete Augen aus dem Bild starren, halb hilflos, halb selbstbewusst, die Finger n den Feinen Stoff verwzirbelt, auf dem sie sitzen darf. King Cophetua and the Beggar Maid. Der König jungenhaft verzaubert von einer bettelarmen Schönheit in durchsichtigem Gewand.
Ein seltsames Gefühl beschleicht mich, während ich den Blick über die warmglühenden Gemälde wandern lasse. Ein Pochen, dessen Rhythmus fast jedes Motiv zu durchwummern scheint.
The woman’s power
Ich stehe lange vor einer Skulptur im Raum, betrachte seine Miene, lasse den Blick über die eng um seinen Körper gewundene Schlange gleiten. Und dann fühle ich es. Unter den angespannten Muskeln, hinter den meisterhaft en Pinselstrichen, irgendwo unter dünnen Schichten heller und dunkler Farbe, eine glühende heiße Angst. Vor den Frauen. Diesen eingeschnürten, rotwangigen, hinterhältigen, wollüstigen Frauen. Den mit ihnen kommt Sex. Mit ihnen kommt Intrige und Bann. Mit ihnen kommt Lust und Wahnsinn und Wahlrecht und Ungewissheit. Hinter jedem dieser uneinsehbaren Augenpaare schlummert das weibliche Geheimnis. Eine unerschöpfliche Quelle männlichen Kopfzerbrechens.
Egal wie klassisch die Motive sind und wie sorgfältig die Farbwahl. Wie zwanghaft liebevoll Hicks, die Frau im Haus, neben ihren trauernden Ehegatten positioniert. Schief zu ihm hinauf spähend, die Dunkelheit auf ihrem Rücken lastend. Wie sorgfältig Frederic Leighton die leidenschaftlich sture Miene seines Athleten geformt hat, der Schlange ins Maul spähend. Jede Geste scheint von dem mystischen Ringen der Geschlechter durchdrungen zu sein.
Das vorletzte Schachmatt
Die geschmeidige Kraft mit der sich die Schlange um den Leib des Adonis wickelt. Wie sie mit zwingender Kraft seine Schenkel drückt, sich unter seine Achsel schmiegt. Ihr Maul aufgerissen, in genussvollem, atemlosen Angriff.
Die Hand die die Sehne spannt zittert, aber hier wird der Bogen noch einmal ganz zurückgezogen, ein intellektueller Kraftaufwand. Das vorletzte Schachmatt.
Tate zitiert Ruskin : The woman’s power is for rule not battle – and her intellect is not for invention or creation, but for sweet ordering, arrangement and decision. Her function is praise. By her office and place she is protected from all danger and temptation. This is the true nature of home – it is the place of Peace, the shelter, not only from all injury, but from all terror, doubt and division. And whenever a true wife comes, the home is always round her. (Quoted in Lambourne, p.377.)
Vor dem Museum recke ich das Gesicht in den weißverhangenen Himmel. Dann grinse ich zu ihm hoch. „Komm, wir spazieren durch den Regen zurück.“
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