Ordnung ist das halbe Leben
Ja, ich gestehe, ich liebe diesen Satz. Schon als Kind hat es mich extrem fasziniert, Dinge in eine Ordnung zu bringen. Besonders meine Gedanken, weshalb ich mit neun Jahren angefangen habe, Tagebuch zu schreiben und Notizblöcke zu führen. Ich liebe auch Listen. Yay, gibt es ein besseres Gefühl, als Dinge auf einer Liste abzuhaken? Ganz klar liebe ich dabei auch das Analoge. Also das aufschreiben und (gerne mit einem anderen farbigen Stift) abhaken und durchstreichen. Als ich dann so zwanzig war, kam mir der Verdacht, dass ich ein wenig creepy bin, was das angeht. Immerhin hatte ich zu diesem Zeitpunkt einen Karteikasten mit Inhaltsangaben von Büchern, eine Zitate-Sammlung und eine beachtliche Anzahl von Tagebüchern. Außerdem eine Fitnessroutine und einen kontrollierten Ernährungsplan. Und das Computerzeitalter begann gerade erst.
Chaos und Ordnung
Als ich mein Studium begann, dämmerte es mir langsam, dass ich bis an mein Lebensende ordnen und sortieren kann, aber vermutlich dabei eine Menge verpassen werde. Wie das so ist, mit Dingen, die man sich halb unbewusst vornimmt – kurze Zeit später wohnte ich in einem besetzten Haus und das Chaos zog auf allen Ebene in mein Leben ein. Und ich ließ es zu. Ich trennte mich von meinen Buchzusammenfassungen, gewöhnte mich an unregelmäßige Essens- und Schlafzeiten, tanzte auf Besetzerfesten, hing in verrauchten Kneipen herum, ließ mich treiben. Ironischerweise bin ich dann wohl trotzdem diejenige, an die man sich erinnert, weil sie den Frühstückstisch immer sauber gewischt hat, oder versucht hat, Pünktlichkeit auf dem Besetzerplenum einzuführen.
Eins und Null
Keine Frage, dass der Beginn des Computerzeitalter mich vollkommen fasziniert hat. Weg mit dem ganzen Durcheinander, zwei Zahlen, was braucht man mehr? Vieles, was analog war, wanderte auf digitale Geräte und schon vor dem Smartphone fand ich den Palm, das erste digitale Notizbuch, superinteressant. Geschrieben habe ich zwar trotzdem auch weiter auf Papier, aber trotzdem die Möglichkeiten der digitalen Notiz erkundet. Ach, ich liebe die Notizzettelfunktion auf dem Mac. Ich hätte da auch ein paar Verbesserungsvorschläge, denn – ups – mein Bildschirm ist voll. Ich erweitere also auf die Wand, auch, weil ich Notizen gerne vor Augen habe. Und – schups – wird aus der Ordnung wieder das Chaos. Faszinierend.
Notiert, gemerkt, vergessen
Ich bin sicher der Meister der handgeschriebenen Notiz, die sofort danach ihre Bedeutung verliert, weil ich sie nicht wieder entziffern kann. Denn – Aufschreiben heißt merken. Irgendwo in meinem Unterbewusstsein speichert sich alles ab und sortiert dann auch Wichtiges von Unwichtigen. Was ich vergesse – war nicht wichtig. Bis zu dieser Erkenntnis war es ein langer Weg. Ich weiß noch, wie mir meine Handtasche gestohlen wurde. Darin war auch ein Notizbuch mit Story-Ideen für Bücher. Eigentlich eine Katastrophe, wenn ich nicht wüsste, dass – überall – auf meinem Macbook, auf Festplatten und Disketten (!), auf Servierten und losen Zetteln in Büchern – Buchideen von mir lagern. Wenn ich sie finde, weiß ich meist nicht mehr so genau, wie ich das alles gemeint habe, wenn ich sie überhaupt entziffern kann. Ist das wichtig?, frage ich mich dann.
Kreatives Chaos
Immer mehr digitale Ordnungssysteme wie Evernote oder Asana oder auch das Smartphones sollen uns helfen, Ordnung in unser Leben und unsere Notizen, Termine, Ideen, Gedanken zu bringen. Zumindest das Entziffern der Notizen sollten sie verbessern. Well – warum springe ich nicht an? Warum lagern die Apps unbenutzt auf meinem iPhone? Und selbst, wenn ich nun auch noch Ideen aus Zeitschriften abfotografiere oder in meine Notizbuchfunktion auf dem iPhone schreibe – warum herrscht mittlerweile die gleiche Zettelwirtschaft wie auf der Wand? Meine Antwort: Weil Chaos auch eine Art Ordnung ist. Das wissen wir ja eigentlich seit der Mandelbrot-Menge, obwohl ich das nur emotional verstehe und auf keinen Fall erklären kann. Anders gesagt: Wo Ordnung ist, ist zugleich auch immer Chaos und wo Chaos ist, auch immer Ordnung – man muss sie nur entdecken.
Zurück nach analog
100 % Ordnung – wer will das? Theoretisch wäre es ja möglich, der Ordnung zumindest sehr nahe zu kommen. Doch es ist sicher kein Zufall, dass jetzt, wo wir die Sache computerish absolut in den Griff kriegen könnten, analoge Ordnungssysteme wieder IN werden. Ach, ja, es hieß ja auch, Ordnung ist das halbe Leben. Der Rest ist nämlich Chaos und so stimmt die Sache wieder.Und weil ich nicht aufhöre, mich für Ordnung UND Chaos zu interessieren, werde ich im nächsten Blogbeitrag mal etwas zum Bullet Journal schreiben. Willkommen zur neusten Idee der personalisierten Ordnung oder besser gesagt: deinem ganz eigenen Chaos.
2 Comments
Leonard
10. November 2016 at 21:39Super cool! Da finde ich doch auch einige meiner Tendenzen wieder. Naja, jetzt weiß ich wenigstens wos herkommt. Btw. Ich liebe die Mandelbrot-Menge. Auch ein Blogeintrag wert! Aber jetzt freue ich mich erstmal auf Bullet Journal.
Katrin
17. November 2016 at 17:26:)