Sugar Man
Anerkennung. Was auch immer das sein soll. Wo kommt sie her? Wieso brauchen wir sie? Brauchen wir sie überhaupt? Eine Gesellschaft, die durch Noten in der Schule und likes auf Instagram immer neue Wege versucht, Anerkennung von anderen Leuten zu bekommen. Wettbewerbe, Preise, sich messen. Alles schön und gut, aber was ist, wenn es niemanden interessiert? Wenn niemand zuschaut? Wenn niemand sieht, wie sehr du dir den A**** aufreißt. Was ist dann?
Ich habe vor kurzem die Doku „Searching for Sugar Man“ geschaut.
Also erstmal eine ganz ganz große Empfehlung, für alle, die sie noch nicht geguckt haben. Sie beleuchtet die Geschichte des Musikers Rodriquez, der in den 70er Jahren in Detroit Musik gemacht hat. Sehr gute Musik. Mit schönen Bob-Dylan-esquen Texten. Nun hatte aber Rodriquez im Vergleich zu Mr. Dylan absolut gar keinen Erfolg. Niemand kannte ihn, sein Album hat sich überhaupt nicht verkauft. Und wir dürfen nicht vergessen, das war in der Zeit vor Twitter, Spotify, Soundcloud, Instagram. Das war Plattenladen und Radio. Also hört Rodriquez auf, Musik zu machen. Aber was er nicht weiß, ist, dass eine amerikanische Studentin eine seiner Platten mit nach Südafrika nimmt, um sie ihren Freunden zu zeigen. Und sie lieben sie. Innerhalb von kurzer Zeit wird er ein Superstar in Südafrika. Jeder zehnte hat seine Platte. Die Menschen denken, er ist in Amerika auf einer Linie mit Elvis. Und Rodriquez hat keinen blassen Schimmer. Sein Plattenlabel erzählt ihm nichts von den irrsinnigen Verkäufen in Südafrika. Er sieht nie einen Cent.
Ich beende hier mal die Zusammenfassung für alle, die den Film noch gucken wollen. Es lohnt sich auf jeden Fall.
Searching for Anerkennung
Nach der Doku habe ich mich auf die Reise der Anerkennung begeben. Ein Thema, das immer mal wieder in meinem Kosmos auftaucht, aber nie auf einer intelektuellen, nüchtern gedachten Ebene. Oft tritt das Thema wegen der Abwesenheit von Anerkennung in mein Leben. So wie man nur wirklich dankbar ist gesund zu sein, wenn man Schnupfen hat.
Also was ist Anerkennung?
Es gibt die warme Bärenumarmung deines Vaters, der sagt, dass er stolz auf dich ist, es gibt das Zwinkern deines Mitspielers nach einer Szene, die gemeinsam gerockt wurde, es gibt das Filmbusiness, das mit Preisen um sich schmeißt. Das ist alles Anerkennung. Das ist alles: Wir sehen dich!
Und im Endeffekt ist gesehen zu werden ja das, worum es uns geht. Das wohlige Gefühl dazuzugehören. Seinen Part zu etwas beizutragen. Auf dem richtigen Weg zu sein (Anerkennung) oder etwas gut gemacht zu haben (Lob).
Wie oft saß Rodriquez da und hat an sich als Person gezweifelt, weil niemand seine Musik gehört hat?
Talent und Anerkennung:
Es ist hart und vielleicht auch unfair, aber Anerkennung und Talent sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Aber wenn die heilige Trinität zusammen kommt, wenn ein talentierter, sympathischer Mensch Anerkennung bekommt, dann öffnet sich das Tor zum Himmel und wir hören die Engel singen. So fühlt es sich zumindest an.
Das Filmbusiness kann mir keinen Preis dafür geben, dass ich die Schule abgebrochen habe, dass das extrem hart war und mir es eine Zeit lang wahnsinnig schlecht ging. Ich mich von Grund auf wieder zusammengeflickt habe und ich mehrmals von Freunden komplett alleingelassen wurde und erst Stück für Stück wieder das Vertrauen in Menschen aufgebaut habe. Aber eventuell spüren das die Menschen. Du bist ein Gesamtkonzept und das lässt dich auch nicht los, sobald du einen Song machst oder eine Rolle spielst. Ganz im Gegenteil. Das funktioniert natürlich auch im Negativem … siehe Kevin Spacey.
Sich nicht wertgeschätzt zu fühlen, kann einen Menschen kaputt machen. Und viele Beziehungen, egal ob Familie, Freundschaft oder Partnerschaften, zerbrechen daran. Man gewöhnt sich an das Gefühl und hört mitunter gar nicht mehr, wenn mal ein Lob oder Anerkennung kommt. Alles wird gefiltert.
Take it and don’t look back
Mir wurde klar, dass ich sehr oft Lob und Anerkennung bekomme. Aber mir wurde auch bewusst, dass sie häufig einfach an mir abperlen. Ich gar nicht richtig zuhöre oder es überhaupt nicht annehmen kann, wenn mir jemand sagt, was er an mir mag. Es ist schwer in diesen Momenten Danke zu sagen, und viel einfacher selbstmitleidend durch die Gegend zu laufen und imaginären Preisen hinterherzuschmachten.
Ich sehe viele Kollegen, aber auch Freunde, die sehr gut darin sind, Anerkennung anzunehmen.
Und ich dachte eigentlich, dass ich auch dazu gehöre …
Die Erkenntnis
Ich habe neulich meine allererste öffentliche Yogastunde gegeben.
Und es war klar, das hier ist ein big deal. Lukas wusste Bescheid und meine Eltern und ich war sehr sehr aufgeregt und es war definitiv außerhalb meiner Komfortzone. ‚Kann ich nicht nochmal zum Casting gehen oder vor dreißig Leuten eine Geburt spielen? Das hab ich schonmal gemacht.‘ Und das Universum sagt: ‚Nope, da geht’s lang.‘ Also ab in das Studio, ab vor die Schüler, die alle älter waren als ich und mich alle als komplett vollwertige Lehrerin gesehen haben. Mit Fragen und Wehwehchen und allem was dazu gehört. Wahnsinn. Und es war klar, danach muss ich mich belohnen. Mit Pommes oder Sushi oder am besten beidem. Das muss gefeiert werden.
Ich habe also unterrichtet, ich bin aus meiner Komfortzone mit einem Hechtsprung gesprungen und als ich hinterher aus dem Studio rauslief, war ich natürlich nicht 100% zufrieden. Ich sage natürlich, weil jeder, der Kunst macht oder performt, und ich denke mal auch jeder, der im Gericht Leute verteidigt oder Menschen im OP aufschneidet, niemals 100% zufrieden ist. Wieso auch? Dann kann man ja nicht mehr weiter an sich rumtüfteln und verbessern und schrauben und lackieren. 100% ist langweilig.
Also laufe ich da alleine im Dunkeln vom Studio nach Hause und fange doch tatsächlich an, mir selbst mein Sushi wegzunehmen. ‚Nein Amber, das hast du nicht verdient. Das bekommst du, wenn du mal so richtig gut warst. Heute noch nicht. Das nächste Mal.‘
Das Nächste, was passiert ist, dass ich eine unergründliche Wut und Enttäuschung fühle. Und zwar gegen Lukas und meine Eltern. Wie kann es sein, dass ich nicht 10000 Herzlichen Glückwunsch Nachrichten auf meinem Handy habe? Wieso ist er nicht hier und stößt mit mir an?
Ich stapfe also traurig, alleine, enttäuscht, wütend durch Prenzlauer Berg. Und dann knallt mir das Universum die Antwort vor den Latz.
„DU musst dir die Anerkennung geben. Niemand sonst ist dafür verantwortlich, dir auf die Schulter zu klopfen. Werd erwachsen. Kauf dir deine Pommes und umarme dich und sag, dass du stolz auf dich bist.“
Schluck.
Ich selber schaffe es auch nicht, jeden kleinen Schritt der anderen zu sehen und zu wertschätzen. Für manche ist es, endlich wieder Joggen oder alleine ins Kino zu gehen. Für andere, einen Song oder selber einen Arzttermin gemacht zu haben.
Aber dann gib du dir halt die Anerkennung die du verdienst. Und es ist schwerer als es aussieht.
Ich saß also da auf meinem Bett, mit Shrek 2 und einem Tablett mit meinem Lieblingsessen. Es war ungewohnt und ok. Und ich war fast schüchtern mit mir. Und ich bin sehr dankbar, dass ich nach meiner ersten Yogaunterrichtssession alleine war und mir erlaubt habe, diese Erkenntnis zu haben.
Wir haben dann natürlich trotzdem nochmal darauf angestoßen.
:)
Hier ein paar Videos von Menschen, die Anerkennung bekommen aka das Gefühl von geschmolzener Butter auf dem Toast:
Graham Norton bei den National Television Awards:
Maggie Rogers und Pharrell Williams:
Hier ein guter Ted-Talk zu dem Thema:
2 Comments
Nina
6. Januar 2018 at 23:11Gefällt mir gut!
Ulrike Grabemeyer
7. Januar 2018 at 9:42Wer Anerkennung bekommt, gibt auch welche. Wer Anerkennung gibt, bekommt auch welche.