Allerlei Spiegelei
Manchmal frage ich mich: Wie sind die Menschen darauf gekommen, aus einem Ei ein Spiegelei zu machen? Ich meine, wann ist das passiert? Denn, Freunde, im Internet gibt es keine Antwort darauf. Da heißt es bei Wikipedia nur über Spiegelei:
Bildung aus dem 18. Jahrhundert, möglicherweise nach dem spiegelnden Glanz der Dotter.
Okay, klar. Meine Frage ist aber: Wer hat das Ei zum ersten Mal in die Pfanne oder wo auch immer hingeschlagen? Wer kam auf diese geniale Idee, die für viele Millionen Menschen ein anständiges Frühstück ausmacht? Das Spiegelei gibt es schon sehr lange, nicht erst seit dem 18. Jahrhundert, wie Bilder mit Spiegeleiern aus dem 16. Jahrhundert zeigen. Also – wie ging das los?
Jäger und Sammler
Klar, ich denke, es war ein Zufall. Essen war ja in frühen Vorzeiten eine sehr einfache Angelegenheit: Da haben wir Beeren gesammelt und Mammuts gejagt. Und da Vögel noch viel älter als Mammuts und Menschen sind, haben wir vielleicht auch Eier „gesammelt“. Also aus Nestern geklaut. Und dann ist im tiefsten Afrika oder sonswo in einer heißen Gegend mal ein Ei auf einen heißen Stein gefallen. Platsch. Und dann kam – denn das Feuer war schon erfunden – eine Idee zur anderen. Was wäre … und dann könnte – und dann: Jep. Ab da war es dann ganz selbstverständlich: So kann man Eier zubereiten. Vielleicht konnten die Menschen damals noch gar nicht sprechen oder sie haben das Spiegel PLATSCH geannnt und das mit dem Spiegel(ei) kam später, als es Spiegel gab, aber so ging es los. Ich bin mir (fast) sicher.
Ich kann noch nicht mal ein …
… Spiegelei braten. Früher war das die kokette Ausrede von Männer, die andeuten sollte, dass sie wirklich noch nie eine Küche betreten haben. Da lächelt man heute vielleicht drüber, aber als Kind fand ich ein Spiegelei zu braten auch ziemlich mysteriös und schwierig. Schon ein Ei am Pfannenrand aufzuschlagen (und wer ist da draufgekommen?) war eine Kunst. Meine Mutter war Feministin, also hat sie mir Kochen nicht beigebracht. Das musste ich mir im Laufe der Zeit von anderen abgucken. Ich weiß noch, wie beeindruckt ich war, als eine Austauschschülerin aus Frankreich bei uns wohnte und an einem Tag für unsere Familie … kochen wollte. Wow. Mutig. Meine Mutter verlor fast die Nerven, weil dieses Mädchen (in allem) quälend langsam war und auch für ihre spezielle Mahlzeit sehr, sehr lange brauchte. Dabei war es ein ganz einfaches und ungemein geniales Gericht.
Tomaten und Eier a la Austauschschülerin
Zutaten für 2: 2-4 Gemüsetomaten, 2 Knoblauchzehen, 4 Bioeier, etwas Öl, Pfeffer, Salz, Kräuter der Provence oder frischen Oregano oder andere Kräuter.
Zubereitung: Tomaten in dicke Scheiben schneiden, Knoblauch in dünne Scheiben schneiden, mittlere Pfanne, Öl erhitzen, Hälfte der Tomaten nebeneinanderlegen, so dass der Pfannenboden bedeckt ist und mit Hälfte des Knoblauchs anbraten. Eier darüberschlagen, würzen, stocken lassen. Auf Teller tun, warm stellen. Zweite Pfanne genauso machen, servieren. Baguette und Wein dazu. Bäm. Fertig.
Was ich so grandios an diesem Rezept finde, ist, dass man die Zutaten in der Regel im Kühlschrank hat. Also im Sommer mit ziemlicher Sicherheit, und wenn nicht, dann sind sie sehr einfach und schnell zu beschaffen, außerdem ist alles günstig. Nun sind ja Eier ziemlich in Verruf geraten und erinnern wir uns an den Anfang der Sache: Eier klauen. Und dann aus schlechtem Gewissen fallen lassen. Jaaa, jaaa! Das war schon von Anfang an nicht so ganz korrekt.
Rein zufällig im Kühlschrank
Abgesehen von den Eiern – die Sache mit dem einfachen Kochen finde ich faszinierend. Es gab da mal eine Sendung im Fernsehen (dieser flimmernde Kasten, der früher immer in den Wohnzimmern stand), das war vermutlich der Anfang des Reality-TVs und ein Vorgriff auf etwas, was wir heute besser bei YouTube sehen können. Jedenfalls besuchte da ein Spitzenkoch irgendwelche prominenten Schauspieler und sollte in deren Küche mit dem kochen, was er im Kühlschrank vorfand. „Hallo, kommen Sie herein! “ „Gerne. Und dann schauen wir mal … was sie zufällig im Kühlschrank haben!“
Okay, keine Ahnung, ob das so zufällig war. Ganz offensichtlich wurden da viele Dinge plaziert, die erstens den Koch vor eine sehr schwierige Aufgabe stellen sollten und auf der anderen Seite irgendwie cool für den Gastgeber aussahen. Da war eine Schauspielerin, die hatte nur eine Flasche Champagner und ein paar Snacks im Kühlschrank. Sehr sexy. Das kann aber tatsächlich sein, denn wenn Schauspieler viel am Set sind, dann haben sie dort ein Catering. Manche gut beschäftigte Schauspieler hangeln sich so von Set zu Set. Und der Kühlschrank bleibt leer.
Der Koch hat daraufhin (und ich fand, er hat die Zufallsregel schon sehr großzügig ausgelegt), alles genommen, was im Kühlschrank lag und es mit den Sachen, die er sonst noch in der Küche gefunden hat, kombiniert und tatsächlich etwas kreiert, was ihm zufällig gerade eingefallen musste und essbar war. Ja, Jäger und Sammler, wir haben das wohl immer noch in uns.
Improvisiert kreiert
Was mir an dieser Sendung gefiel war, dass Leuten, die eigentlich überhaupt keine Fantasie oder den Nerv zum Kochen haben und logischerweise einen in der Regel sehr spärlich bestückten Kühlschrank, ein Kochwunder gezeigt wurde. „Mönsch, aus dem Zeug, was da im Kühlschrank vor sich hinrottet, kann man ja echt noch was machen!“ Gefällt mir auch, weil wir nicht so viel wegwerfen sollten und lieber hinsehen, was alles da ist. Einfach großartig, wie kreativ dieser Meisterkoch an seine Aufgabe heranging, auch wenn die Ausgangbedingungen äußerst schwierig waren.
Ein Gericht, das vielleicht aus einer ähnlichen „Notlage“ heraus entstanden ist, ist dieses:
Nudeln mit Wodka mit dem-was-zufällig-im-Kühlschrank-war
Zutaten für 4 Personen: Zwei Becher Sahne, 50 Gramm Butter, 2 TL Mehl oder Stärke zum Andicken, Salz, Pfeffer, kleiner Flachmann Wodka, 500 Gramm Spagetti.
Zubereitung: Butter in mittlerer Pfanne zerlassen, Sahne dazu, aufkochen, mit Mehl oder Stärke etwas andicken, Würzen, Wodka vorsichtig und langsam dazugeben, erneut aufkochen, auf kleiner Flamme warmhalten. Spagetti in leicht gesalzenem Wasser al dente kochen. Abgießen, zu der Soße geben, sanft verrühren. Der Alkohol verfliegt beim Kochen, der Wodkageschmack bleibt. Guten Appetit!
Sollte man die Zutaten nicht im Haus haben, kann man zumindest den Wodka auch an der Tankstelle bekommen …
Rezepte – kein Zufall
Ich sagte schon, dass ich als Kind keine Ahnung vom Kochen hatte. Ich hielt die Sache offengestanden für Magie. Wie sonst ließ sich erklären, dass aus staubigen, feuchten und krümeligen Zutaten auf einmal ein Kuchen entstehen konnte? Rezepte waren daher für mich daher Zaubersprüche, die man nur richtig genug befolgen musste, dann passierte – Magic!
Als älteste von vier Kindern habe ich dies auch mit viel Überzeugung meinen beiden Brüdern erklärt, als wir gemeinsam etwas kochen wollten, da unsere Eltern unterwegs waren. Ich war vielleicht acht oder neun, meine Brüder entsprechen 1 bis 3 Jahre jünger. Da wir die Sache nicht unbedingt an die große Glocke hängen wollten, entschieden wir uns für ein Rezept, für das man wenige Zutaten brauchte. Ich fand es in einem alten Dr. Oetker-Kochbuch. Apfel-Reis. Hört sich großartig an, oder? Zutaten: Reis, Wasser, Äpfel. Wir kochten streng nach Rezept, was eigentlich nur bedeutete, den Reis in Wasser zu kochen und die Äpfel reinzuschneiden. Doch es musste ja noch die Magie wirken, denn immerhin mischten wir hier Dinge mit Wasser unter Hitze zusammen!
Nun – sie wirkte nicht. Das Gericht war eine Enttäuschung. Es schmeckte – kein Zufall – nur nach Reis mit zerkochten Äpfeln, die Konsistenz war enttäuchend pampig. Mein Glaube an Rezepte hat damals einen sehr derben Knacks bekommen. Wo war die Magie?
Der magische Kuchen
Ich habe es aber doch noch gefunden, das Rezept, das einfach und magisch ist. Es wurde mir mündlich in einer kleinen Küche in Frankreich überliefert. Ich war zufällig da. Es ist ein Kuchenrezept, wird also gebacken. Bis heute glaube ich an die wundersame Kraft von Backöfen. Was oben auf dem Herd passiert ist mir eher unheimlich, wenn ich schreibe, lasse ich dauernd etwas anbrennen – Backöfen sind da viel gemütlicher und stressfreier, obwohl es hier auch schon Desaster gab, die einen weiteren Blogbeitrag füllen könnten. Zurück zu einem magischen Abend in einer Küche mit drei Französinnen, die mal eben einen Nachtisch für ein sowieso schon üppiges Mahl gezaubert haben, weil es ja ohne nicht perfekt wäre und Kuchen – immer geht.
Magischer Kuchen mit Obst, das zufällig da ist
Zutaten für den Teig: 200 Gramm Mehl, 200 Gramm Butter oder Margarine, ein Schnapssglas Wasser, eine Prise Salz.
Zubereitung: Alles zusammenwerfen, durchkneten, notfalls Mehl dazu, falls es klebt. Eine Springform oder Kuchenform damit auslegen und dann – rauflegen, was gerade zufällig im Obstkorb ist. Bevorzugt: Äpfel oder Birnen, die in feine Scheiben geschnitten und auf den Teig gefächert werden. Darüber etwas Zucker streuen oder Creme Fresh verteilen oder Ahornsirup oder Honig oder geröstete Mandeln. 20 Minuten in den Ofen bis alles schön braun ist. Dazu Kaffee oder Tee und ein französischer Schwarz-Weiß-Film. Voilà.
Vegan, wenn man Margarine statt Butter nimmt. Die Eier fehlen nicht im Teig, denn es ist eher eine zarte dünne Teigschicht, die das Obst trägt.
Zufall und Kreativität
Hätte es nicht irgendwann einmal Menschen gegeben, die beim Kochen ausprobiert und herumexperimentiert hätten, wären niemals neue Gerichte entstanden. Das finde ich großartig, daran sollte man sich viel öfter erinnern, statt das x-te Kochbuch zu kaufen, weil man an eine Magie glaubt, die man in den Rezepten nicht finden wird. Dafür muss man sich selber – dem Zufall überlassen, etwas ausprobieren. Oder fallen lassen.
Ups, I dropped the lemoncake heißt der Nachtisch eines Spitzenkochs, dem ein Missgeschick passierte und der seitdem seinen Zitronenkuchen genauso serviert, wie der aussah, als er ihm vom Teller gerutscht ist: In einem krümeligen Haufen.
Bon appétit!
2 Comments
Tintenhain
13. Mai 2018 at 23:06Was für ein schöner Artikel! Ich habe mich sehr amüsiert. Kochen und backen hat aber tatsächlich etwas Magisches, wenn man es recht bedenkt. Mir gefällt es, wie die Engländer ihr Spiegelei nennen: sunny side up. Da geht einem doch das Herz auf.
Liebe Grüße,
Mona
Katrin
14. Mai 2018 at 11:37Danke, Mona!
Sunny side up … gefällt mir auch, obwohl ich mein (Spiegel)ei lieber umgedreht habe.
Lg Katrin